Ahorn – Epitaph über der

 Streitberger’schen Gruft

(1615)

 

 

 

Das rechts vom Triumphbogenpfeiler aufgestellte Sandsteinepitaph in der Schlosskirche von Ahorn wurde für Wilhelm von Streitberg († 1631) und dessen erste Ehefrau Anna († 1615) aufgestellt. Es ist ein Werk aus dem Jahr 1615 von Johann Werner aus Nürnberg und dessen Schwiegersohn Veit Dümpel aus Altenstein.

 

 

 

 

Laut Lehfeld / Voss a. a. O. S. 392 finden sich 2 Grabplatten im Boden vor dem „Grabmal über der Streitbergschen Gruft“. Die dem Grabmal „zunächst befindliche“ ist heute an der Südwand im Innern der Kirche. Von der Inschrift ist wenig zu erkennen, an den Rändern eingefasst von je 8 Wappen, über dem Rahmen der Inschrift zwei Wappen sowie darüber das behelmte Wappen derer von Streitberg.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die folgenden Distichen werden zitiert nach Ludwig:

VITA QVID EST? MORS EST QVID MORS? EST IANVA VITAE

IANVA QUID VITAE? COELVM ANIMAEQVE SALVS

SIC NON MORITVR IVSTVS MORITVR NEC CANDIDA IVSTI

VIRTVS NON MORITUR RELIGIOSA FIDES

NEC MORITUR BENE QVI VIXIT SED DESINIT INTER

VIVERE MORTALES DESINIT ATQVE PREMI

SIC STREITBERGERVS NVNC VICTA MORTE TRIVMPHAT

VITA SIBI MORS EST MORS SIBI FACTA LVCRUM

 

1 Das Leben – was ist das? Der Tod – was ist der Tod? Er ist die Türe zum Leben –

2    die Tür zu welchem Leben? Der Himmel und das Heil der Seele!

3 Siehe! [So] stirbt nicht der Gerechte und nicht die lautere Tugend des Gerechten

4    es stirbt nicht der religiöse Glaube

5 und nicht stirbt, wer gut gelebt hat, sondern er hört auf unter den Menschen

6    zu leben und hört auf unterdrückt zu werden.

7 So triumphiert nun der Streitberg(er), nachdem er den Tod besiegt hat.

8    Leben ist ihm Tod, der Tod ist für ihn ein Gewinn geworden.


Erklärungen:

  • das Epigramm ist in elegischen Distichen verfasst, was die Übersetzung hier nicht imitiert. Eine Übertragung in deutschen Distichen findet sich bei Lehfeld / Voss S. 392!
  • Das Epigramm ist rhetorisch gestaltet, wobei besonders das Spiel mit Wörtern gleicher Wurzel oder mit unterschiedlicher Flexionsform auffällt:

VITA – VIVERE (VIXIT) und MORS – MORITVR – MORTALES

  • Die antithetische Gestaltung Leben-Tod ist typisch, findet sich sehr zahlreich in der Dichtung des Barocks und besonders des Manierismus, der z. B. Stilmittel und Wendungen einsetzt, um Erstaunen zu erzeugen.
  • Allerdings ist diese Antithese Tod – Leben nicht nur rhetorisches Spiel, sondern auch Kern der theologischen Deutung, denn wenn der Tod als Tür zum Leben bezeichnet wird, so ist damit die Tür zum ewigen Leben zu verstehen. Ähnlich negative Sichtweise des „irdischen“ Lebens erkennt man bei den indischen Religionen, wenn etwa Buddha erkläret: „Erkennt, ihr Mönche, dass alles Dasein leidvoll ist. Geburt ist Leid, Altern ist Leid…“ Aber während es dort das Ziel ist, den Kreislauf der Wiedergeburten zu beenden, wird im Christentum dieser Zeit v. a. wegen der Übel der Zeit wie Pest und Krieg das Leben als schlecht und der Tod als Befreiung verstanden.

Worterklärungen:

candida (Vers 3): candidus bedeutet „weiß“, die Bewerber um ein Amt trugen im antiken Rom weiße Kleidung, hatten also eine „weiße Weste“! Daher heißt der Amtsbewerber „candidatus“. Diese Sinnrichtung muss hier berücksichtigt werden: lauter, redlich, glücklich.

Nb.: „lauter“ heißt (nach lat. cluere =  reinigen) ursprünglich „gewaschen“ und hat wie lat. „lautus“ (PPP zu lavare = waschen) eine Bedeutungswandlung zu „prächtig“ und „rein“ angenommen.

 

Dieser Artikel basiert auf Angaben von Lehfeld / Voss bzw. dem Buch von Helmut Haas!

 

Quellen:

https://www.ahorn-evangelisch.de/die-ahorner-kirche/geschichte-der-evangelischen-kirche-ahorn

https://de.wikipedia.org/wiki/Schlosskirche_(Ahorn)

https://de.wikipedia.org/wiki/Streitberg_(Adelsgeschlecht)

Haas, Helmut: Inschriften der Stadt und des Landkreises Coburg bis zum Jahr 1650; Bindlach [Selbstverl.] 2002

Armin Leistner: Alte Grabdenkmäler und Epitaphien des Coburger Landes – I. Teil; in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1976; S. 60  ff.

P. Lehfeldt / G. Voss: Die Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens /32: Herzogthum Sachsen-Coburg und Gotha. Landrathsamt Coburg. Amtsgerichtsbezirk Coburg 1906; Reprint 2016; S. 392

Ludwig: Ehre des Gymnasii academici in Coburg II; S.63/64


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