Horatius Carmen III 30

In der Übersetzung werden nur die hier im Zusammenhang wichtigen Passagen angeführt!

Exegi monumentum aere perennius Ich schuf ein Denkmal, dauernder als Erz
regalique situ pyramidum altius,
quod non imber edax, non Aquilo inpotens Welches kein nagender Regen, …
possit diruere aut innumerabilis


zerstören könnte oder die unendliche

 

annorum series et fuga temporum.               5 Reihe von Jahren …
Non omnis moriar multaque pars mei Ich werde nicht vollkommen sterben und ein großer Teil von mir
vitabit Libitinam; usque ego postera wird Libitina entgehen: ununterbrochen
crescam laude recens, dum Capitolium


werde ich an Nachruhm neu wachsen, …

 

scandet cum tacita virgine pontifex.
Dicar, qua uiolens obstrepit Aufidus               10
et qua pauper aquae Daunus agrestium
regnavit populorum, ex humili potens


princeps Aeolium carmen ad Italos
deduxisse modos. Sume superbiam …    Nimm den Stolz, der [von mir]
quaesitam meritis et mihi Delphica               15 durch [meine] Verdienste erworben, und umwinde mir
lauro cinge volens, Melpomene, comam. wohlwollend mit Lorbeer aus Delphi das Haupt(haar), Melpomene!

 

Anmerkungen (vgl. : Q. Horatius Flacchus, Oden und Epoden; erklärt von Adolf Kiessling, Berlin 1958; S.382 – 384)

 

  • monumentum exegi: monumentum erscheint auch auf Gräbern: mihi hoc monumentum feci Aber auch ein Standbild kann mit monumentum bezeichnet sein.
  • aere perennius: „ewig“ kann eigentlich aus Gründen sprachlicher Logik nicht gesteigert werden, ist also als Oxymoron anzusehen. „aes“ dürfte im Zusammenhang mit „monumentum“ an Bronzestatuen erinnern, die, da sie nicht rosten, als ewig gelten können, wodurch er für seine carmina tatsächlich die ewige Dauer ausdrücken kann. Heute würden wir für die Literatur von immaterieller Kultur, von Bauwerken wie den Pyramiden (Vers 2) oder von Kunstwerken wie Bronzestatuen dagegen von materieller Kultur sprechen. Nun nagt „der Zahn der Zeit“ ( Vers 2: edax; Vers 4/5: non possit diruere fuga temporum) tatsächlich an Bauwerken, indem z. B. sie sogar – wie beim Colosseum in Rom – als „Steinbruch“ für folgende Generationen herhalten oder wie die Statuen der „heidnischen“ römischen Kaiser von fanatischen Christen zerstört wurden (ein Vergleich mit der Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan, den größten stehenden Buddha-Statuen der Welt, durch die Taliban in Afganistan 2001 oder  die Zerstörung  etlicher Bauwerke der Stadt Palmyra 2015 durch den IS zeigt, dass das auch ein Phänomen unserer Zeit sein kann. Literatur kann insofern – auch nicht durch eine Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten wie am 7. Mai 1933 in Coburg im Hof der Ehrenburg –  nicht „zerstört“ werden, aber sehr wohl kann sie vergessen werden und würde dann nicht mehr existieren. Dieses Schicksal sieht Horaz durch die Hilfe Melpomenes für sein Werk nicht, aber Horaz geht noch den Schritt, sich auch selbst Ewigkeit damit zuzuschreiben und es ist, wie Büchner es (K. Büchner, Römische Literaturgeschichte, Stuttgart 1968 S. 320) formuliert, ein „Überwinden des Zeitlichen“.
  • aut innumerabilis annorum series: eigentlich: die unzählige Reihe von Jahren; damit wäre es als Enallage (ἐναλλαγή ein sprachliches Stilmittel, das eine Verschiebung der Wortbeziehungen innerhalb eines Satzes meint. Das bedeutet, dass sich ein Wort innerhalb eines Satzes nicht auf das logische Beziehungswort bezieht, sondern auf ein anderes. Sehr häufig werden dabei Adjektive grammatisch einem Wort oder Wortbestandteil zugeordnet, zu denen sie inhaltlich nicht gehören. Die Enallage dient demnach zumeist der Ausschmückung der Sprache) zu verstehen als: die Reihe von unzähligen Jahren.
  • Libitina: römische Göttin, deren Heiligtum mit dem städtischen Begräbniswesen verbunden war, die hier metonymisch mit dem Tod (Ende seiner carmina) gleichgesetzt wird.
  • Melpomene: eine der neun Musen (vgl. Wikipedia); der Musenanruf ist ein bekannter Topos in der Dichtung (So beginnt Homers Odyssee Nenne mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes; Vegils Aeneis in Vers 8: Musa, mihi causas memora / Nenne mir, Muse, die Gründe…; Dante nannte die Musen „unsere Ammen“, welche die Dichter mit ihrer süßen Milch ernähren.)
  • Delphica lauro: der delphische Lorbeer [laurus, lauri f; dichterisch für laurea] deutet auf den Musengott Apollon. Der Lorber steht in Rom traditionell dem siegreichen Feldherrn bei seinem Triumphzug zu. Horaz überträgt an dieser Stelle diesen Kranz der Helden auf den Dichter und ist somit der „Erfinder“ des poeta laureatus. Sehr gut zeigt Goethe im Torquato Tasso diesen Gegensatz zwischen Ruhm für den Staatsmann und dem des Dichters, wo Torquato Tasso als poeta laureatus aber am Hofleben scheitert.
  • Sume superbiam: Da der Dichter seine Kunst der Muse verdankt, hat diese das Recht, auf seine Leistung stolz zu sein. Ihren Stolz bekundet sie durch die Bekränzung.
  • Das Versmaß zeigt das asklepiadeische Versmaß (kleiner Asklepiadeus), das sonst nicht in dem Odenbuch verwendet wird.

 

Für den Römer steht der Ruhmesgedanke für sich, seine familia und den römische Staat an erster Stelle, was Vergil gezeigt hat (vgl. bei Gottwein.de! Vers 850 im 6. Buch):

excudent alii spirantia mollius aera

– credo equidem -, vivos ducent de marmore vultus,

orabunt causas melius, caelique meatus

describent radio et surgentia sidera dicent:

tu regere imperio populos, Romane, memento

– hae tibi erunt artes -, pacique imponere morem,

parcere subiectis et debellare superbos.“

Sic pater Anchises

Vergil grenzt von den Griechen, die Künstler (vivos ducent de marmore vultus = Lebendigkeit aus dem Marmor herausarbeiten), Rhetoren (orabunt causas) und Wissenschaftler (Berechnung von Sternenbahnen mit dem Zirkel) hervorgebracht haben, die Römer ab, deren Sendung in dem gerechten Herrschen (regere imperio populos) über die Welt liegt. Dies sei die „artes“/Kunst der Römer. Damit sieht Vergil die Leistung für den (römischen) Staat als bedeutender an als die „artes“ der Griechen. Ein vir vere Romanus

Horaz dagegen stellt mit großem Selbstbewusstsein die Bedeutung der Dichtkunst heraus.

Noch deutlicher wird das bei Plinius dem Jüngeren, der unter der Herrschaft der Kaiser keinen Platz mehr für politische Leistung – gleichwohl hatte er verschiedene Ämter wie unter Kaiser Trajan  Statthalter der Provinz Bithynien-Pontus – wie in Zeiten der Republik sieht und für den deshalb die Bildung und Literatur den höchsten Stellenwert einnehmen. Über seinen Onkel, Plinius d. Ältere, schreibt er im „Vesuvbrief“ VI 16: Equidem beatos puto, quibus deorum munere datum est aut facere scribenda aut scribere legenda, beatissimos vero quibus utrumque. Horum in numero avunculus meus et suis libris et tuis erit. (Ich jedenfalls halte die für glücklich, denen es als Geschenk der Götter gegeben ist, entweder Beschreibenswertes zu tun oder Lesenswertes zu schreiben, für die  Glücklichsten aber die, denen beides beschieden ist. Zu diesen wird mein Onkel sowohl durch seine wie durch deine Bücher gezählt werden.)

 

 

 

 

Links / Seiten / webs:

Horaz c. III 30 Text und Übersetzung bei Gottwein.de

 

 

 

 

 

 

 

 


 

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