Coburgum Latinum

Hof-Apotheke am Markt

Auch an einigen Privathäusern finden sich lateinische Inschriften. Auf diese Weise soll sicher dokumentiert werden, wie gebildet der damalige Besitzer gewesen ist. Typisch sind religiöse Texte und Sentenzen.

Im Fall der Hof-Apotheke am Coburger Marktplatz treffen verschiedene Aspekte des Lateins zusammen.

Zunächst ist offensichtlich, dass in der Pharmazie die klassischen Sprachen – wie in der Medizin – eine wichtige Rolle bis heute spielen. So sind auf den Dosen mit Kräutern etc. die lateinischen Bezeichnungen aufgeführt. Diese Kräuter spielen ein Rolle bei der Mischung von Tees oder des „Coburger Schmätzchens Gewürzes“ , beim bekannten „Kräuterlikör“ oder bei Rezepten z. B. bei der Zubereitung von Salben.

Dann wird die Verwendung des Lateins als Ausdruck der gehobenen Stellung außen am Gebäude deutlich, denn es findet sich ein kleines „hora ruit“ (die Stunde entschwindet) , das wohl kaum jemand der Touristen und bestimmt auch kaum jemand der meisten Coburger bemerkt haben dürfte, obwohl viele den Erker an der Hofapotheke schon bewundert haben dürften. Weitere Informationen im Zusammenhang mit der Apotheke sind auf der Seite „Fundstücke“ zusammengestellt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Latein ist daneben auch die Sprache der Kirche und bezeugt damit den Glauben und die fromme Gesinnung. Dies trifft in besonderer Weise auf den Grabstein von 1558 von Cyriacus Schnauß zu, der im Innenhof ()Zugang aus der Steingasse) der Apotheke als Sehenswürdigkeit aufgestellt ist und der aus dem Salvatorfriedhof hierher gebracht worden ist.

 

Der Apotheker Cyriacus Schnauß – die Medaille von Joachim Deschler von 1563 zeigt auf der Vorderseite das Bildnis und auf der Rückseite sein Wappen – soll hier etwas ausführlicher wegen seines bemerkenswerten Lebenslaufs behandelt werden.

Quelle: https://www.bavarikon.de/object/bav:KVC-LUT-0000000000069985?view=meta&lang=de

Schnauß stammte aus Roda in Thüringen (so Deutsche Biographie – Schnauß, Cyriacus (deutsche-biographie.de) oder eher aus Rodach (vgl. die Inschrift und der folgend Ortel / Wunderer a.a.O. S. 39 Fußnote 2)  und absolvierte seine Lehre in Bamberg. 1543 eröffnete er in Coburg in der Steingasse die „Apotheke zum goldenen Strauß“. Vorausgegangen war eine langwierige Auseinandersetzung mit dem Stadtrat um die Erteilung der Konzession. Durchsetzen konnte sich Schnauß erst, nachdem er sich an den Herzog gewandt hatte. Die Apotheke besteht heute noch unter dem Namen „Hof-Apotheke“. Neben seiner eigentlichen Profession betätigte sich Schnauß auch als Verfasser theologischer Schriften, die er selbst in den Räumen seiner Offizin druckte. Kennzeichnend für seine Schriften ist der überaus polemische antipäpstliche Grundton. Eine gewisse Bekanntheit erlangte vor allem die 1546 erschienene Satire „Pasqvilus. New Zeytung Vom Teuffel“, die insgesamt acht Auflagen erlebte. Heute sind Schnauß’ Schriften weitgehend vergessen. Sein Epitaph mit den wichtigsten Angaben ist geblieben

 

 

Wie üblich findet sich darunter eine lateinische Inschrift, die eigentlich zwei Sätze mit zwei verschiedenen Fundstellen beinhaltet.

In Halberstadt am Haus Nr.91 Jacobistr.7 aus dem Jahr 1568 findet sich ein Beleg mit einer ähnlichen Inschrift, die protestantische Gewissheit dokumentiert:

DEVS OMNIA PROVIDEBIT·QVI CREDIT HABEBIT ANNO DOMINI 1568

HIERONIMVS VELIMVS·NOLIMVS SENESCIMVS

Gott wird für alles sorgen. Wer glaubt, der wird besitzen. Im Jahr des Herrn 1568.

Hieronymus: Wir mögen wollen oder nicht wollen, wir werden alt.

Hier wird „habebit“ in der Bedeutung „haben, besitzen“ verstanden, also durchaus materialistisch und weltlich, was darauf deuten kann, dass der Hausbesitzer einen Zusammenhang zwischen seinem Glauben und der Belohnung Gottes in Form des Hauses herstellen will. Dies entspricht aber nicht der Originalstelle.

 

Zunächst zum 1. Teil des lateinischen Sinnspruchs im Coburger Beispiel: „Dominus Providebit“ stammt aus Genesis (1. Bucg Moses) 22,8 („dixit Abraham Deus providebit sibi victimam holocausti fili mi pergebant ergo pariter“ Abraham sagte: Gott wird schon für ein Opfertier für sich sorgen, mein Sohn, und sie setzten den Weg fort.) und wurde erstmals 1716 als Umschrift auf Berner Münzen gesetzt. Um die Fälschungssicherheit zu steigern, setzte die Eidgenössische Münzstätte 1886 diesen Sinnspruch als Randschrift bei den 20-Franken Stücken ein. Interessanterweise ziert der Spruch „Dominus providebit“ auch das Haus der Familie Buddenbrok im Roman von Thomas Mann.

An dieser Stelle soll Abraham seinen unbedingten Glauben an Gott durch die Opferung seines eigenen Sohn beweisen, wozu er auch bereit ist. Aber ein Engel sagt ihm, dass Gott nun gesehen habe, dass Abraham Gott fürchtet, weshalb er nicht Hand an den Sohn legen solle. Stattdessen wird ein Widder geopfert, den er hinter sich entdeckt und der sich mit den Hörnern in einem Busch verfangen hatte (post tergum arietem inter vepres herentem cornibus) sieht. Ein ähnliches Opfer soll übrigens in der Illias Agamemnon mit seiner Tochter Iphigenie darbringen, wobei aber die Göttin erweicht wird, Iphigenie nach Tauris bringt und an ihre Stelle ein Tier als Opfer auf dem Altar ablegt.

Für den zweiten Teil (qui credit habebit) lautet die zu Grunde liegende Bibelstelle (Evangelium nach Johannes – Kapitel 3 – Vers 16):

sic enim dilexit Deus mundum ut Filium suum unigenitum daret ut omnis qui credit in eum non pereat sed habeat vitam aeternam

Gott hat die Welt nämlich so geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht untergeht, sondern das ewige Leben habe.

Zu finden ist in den Apokryphen (Joannes 5:24) auch:

Amen, amen dico vobis, quia qui verbum meum audit, et credit ei qui misit me, habet vitam æternam, et in judicium non venit, sed transiit a morte in vitam.

Die Stelle bezieht sich also nicht auf weltlichen Besitz, sondern zeigt, dass unbedingter Glauben zum ewigen Leben führt.

Dieser Text ist übrigens im 13. Jahrhundert auch vertont worden.

Damit ergibt sich ein Binnenreim durch povodebit – habebit.

Damit ergibt sich als Verbindung beider Zitate: Gott wird vorsorgen, wer daran glaubt, der wird [das ewige Leben] haben.

 

verwendete Quellen:

Biographie von Cyriacus Schnauß: https://www.deutsche-biographie.de/sfz78780.htmlhttps://de.wikisource.org/wiki/ADB:Schnau%C3%9F,_Cyriacus

Zum Epitaph: Bildergalerie – Bild 11 (coburg-magazin-forum.de)

1543 Hof-Apotheke am Coburger Marktplatz – Digitales Stadtgedächtnis Coburg (stadtgeschichte-coburg.de)

Hof-Apotheke | Geschichte der Hof-Apotheke (hofapo.com)

Zum Wappen: Heraldik: Photos von Wappen in architektonischem Zusammenhang, Dokumentation und Datenbank (welt-der-wappen.de)

284 Mythos um Cyriakus Schnauß (anders z. B. Morsbach / Titz: Stadt Coburg – Denkmäler in Bayern, München 2006; S. 240/241

Literatur:

Hans-Ludwig Oertel  Klaus Wunderer: Salve! ein Spaziergang auf der Suche nach lateinischen Inschriften an Coburger Gebäuden und Gedenksteinen; Coburg 2014; S. 36 ff.

Nachweis für Fotos: Dieter Koch;

Medaille: https://www.bavarikon.de/object/bav:KVC-LUT-0000000000069985?view=meta&lang=de; demnach ist die Verwendung des Bildes (Kunstsammlungen der Veste Coburg) für private, schulische und wissenschaftliche Zwecke, nicht aber für den kommerziellen Gebrauch erlaubt.

 


 

Zuschriften bitte an: Coquus22@gmail.com (Administrator)

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