Coburgum Latinum

Haus Hinterm Marstall 3

Auch an einigen Privathäusern finden sich lateinische Inschriften. Auf diese Weise sollte sicher dokumentiert werden, wie gebildet der damalige Besitzer gewesen ist. Daneben sind auch religiöse Texte und Sentenzen typisch.

In Coburg findet sich zwar nur ein Beispiel, dafür aber ist es eine sehr interessante Inschrift. Zu finden ist sie am Haus Nr. 3 in der Straße „Hinterm Marstall“.  Das Relief, das um das Jahr 1838 der Amtsbote Christian Moritz über dem Portal anbringen ließ, zeigt ein von einer Schlange umwundenes Krokodil. Vor einigen Jahren wurde es renoviert, wie der Bericht im Coburger-Magazin dokumentiert.

Das Foto unten zeigt das Schild im frisch renovierten Zustand (noch mit dem Fehler: ESE, was heute korrigiert ist in EST).

QUAENAM SORS EST SINE INVIDIA

Vokabelhilfen: quaenam (Pronomen) welches / was denn

 

Die Übersetzung lautet also: Welches Schicksal ist denn ohne Neid? Mit dieser selbstbewussten Aussage verweist der Hausbesitzer darauf, dass sein Besitz Neid bei den Mitbürgern erzeugt.

Dies ist kein Einzelfall, so findet sich in Helmstadt, Neumärker Str. 29: „ΜΕΓΑ ΠΗΜΑ ΓΕΙΤΩΝ ΚΑΚΟS“, das nach Hesiod, Werke und Tage, Vers 344  in Übersetzung: „Ein großes Übel ist ein schlechter Nachbar“ (vgl. dazu Stefan Weise: Genius loci – Überlegungen zur Nutzung lokaler Ressourcen, in: Forum Classicum 4 2024; S.288 sowie hier die untergeordnete Seite mit weiteren Erklärungen),

 

Neid (invidia) gehört bekanntermaßen zu den sieben Todsünden. So scheint das zunächst eine Klage über den Neid anderer, wohl der Nachbarn zu sein. Der genaue Sinn dieser Sentenz erschließt sich erst besser, wenn man andere Texte zum Vergleich heranzieht. Z. B.

  • Est mala sors quae non inimicos efficit ullos; [Das Schicksal ist schlecht, das keine Feinde hervorbringt]
  • Invidiam comitem sors bona semper habet. [Ein gutes Schicksal hat immer den Neid als Begleiter.]
  • und vor allem die folgende, zu der unsere Sentenz fast eine Paraphrase zu sein scheint: Quaenam pessima sors? Quae caret invidia. (Commentarii critici in Codices Bibliothecae Academicae Gissensis Graecos et Latinos, Gießen 1842, S. 152 ) [Welches Schicksal denn ist das schlechteste? Das ohne Neid ist]
  • oder nach Wilhelm Busch: Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung.

Das bedeutet, dass Neid als etwas Positives aufzufassen ist, denn es ist der Beleg für Erfolg im Leben. Verlierer dagegen werden nicht beneidet!

Somit ergibt sich der folgende Sinn: Neid auf ein gutes Schicksal bezeugt Erfolg!

Das unterstützt das Relief. In der Mitte steht die umkränzte Initiale „M“ für den Besitzer Christian Moritz. Das Schild wird von einem Krokodil und einer Schlange angefressen.

File:Jacques Callot, The Seven Deadly Sins - Envy.JPG

In der Ikonographie steht die Schlange für Neid, was die linke Grafik von Jacques Callot von 1620 zeigt.

 

Rechts dagegen ist „L’invidia in un’incisione allegorica“ von Jacob Matham abgebildet.

 

In beiden steht die Schlange für Neid, Der Neid ist als Frau dargestellt , die in eine Frucht beißt, und sie hat einen Hund dabei.

 

 

Die Subscriptio (Unterschrift) lautet:

Invidia atra lues successibus aspera faustis,

ipsa fit infelix carnificina sui.

(Neid, die schwarze Seuche, ist rau für die glücklich Erfolgreichen,

wird selbst zur unglücklichen Qual ihrer selbst)

 

Das Krokodil dagegen wird bei Luther wegen der Krokodilstränen mit List und Täuschung gleichgesetzt, da es dadurch Opfer anlocken soll. Allerdings müsste hier, da beide Tiere am Schild ziehen oder zubeißen, auch das Krokodil analog für invidia stehen. Da es aber um Neid gegenüber dem Hausbesitzer geht, könnte es bedeuten, dass die „neidischen“ Nachbarn dies nicht zeigen, sondern etwas anderes wie z. B. Anerkennung heucheln.

Im Mittelalter zeigen die Darstellungen eine gängige Gleichstellung von Krokodilen mit dem biblischen Leviathan (Hiob 40, 25 – 32; Erklärung zu der Stelle). Demnach lässt sich mit dem Krokodil/Leviathan der Satan, eine Schlange und wieder der Neid verbinden. Sicher wurde das Krokodil aber auch unter künstlerischen Erwägungen gewählt, denn es kann gut in die flache, längliche Form des Schildes eingefügt werden und es dokumentiert durch den Schuppenpanzer, die Zähne etc. die Bedrohung durch den Neid anderer und damit das Selbstbewusstsein des Hausbesitzers.

Eine weitere für den Kenner der Antike interessante Parallele ließe sich zum Mithras Kult ziehen, was das Foto aus dem Limes-Museum in Aalen zeigt.

Der Gott Mithras wurde gerade in den römischen Provinzen von Legionären verehrt, sodass Mithräen an zahlreichen Orten zu finden sind.

Bei der Tötung des Stiers (Tauroktonie) durch Mithras finden sich auch Tiere (vgl. das Foto!) wie ein Löwe (rechts unten), ein Krokodil (darüber) ein Skorpion, der in die Stierhoden beißt und eine Schlange (links unten). Das Krokodil – es kommt sonst nicht auf solchen Darstellungen vor – und die Schlange sind wohl eine interessante Parallele, ohne dass man eine Kenntnis der Mithras-Darstellung bei Christian Moritz annehmen kann.

 


Nachweis für Abb.: 1: Foto Dieter Koch; 2: https://www.psicoterapiapersona.it/2019/01/02/l-invidia-conoscerla-per-trasformarla/; 3: https://it.wikiquote.org/wiki/Invidia; 4: Koch (2023)

 

Literatur:

https://www.zobodat.at/pdf/JOM_156_0017-0031.pdf

Peter Morsbach, Otto Titz: Stadt Coburg (= Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]: Denkmäler in Bayern. Band IV.48); München 2006 [zitiert als: Morsbach / Titz]; Seite 128 / 129

 

Zuschriften bitte an: Coquus22@gmail.com (Administrator)

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