Coburgum Latinum
Vita des Mauritius
Mauritius ist als Namenspatron der Morizkirche und „Stadtheiliger“ von Coburg allgegenwärtig (vgl. rechts: der Mauritius am Rathaus als mittelalterlicher Ritter).
Mauritius wird hier als mittelalterlicher Ritter dargestellt, nicht in antiker römischer Rüstung. In der Hand trägt er wohl die heilige Lanze sowie den Wappenschild mit dem Meißner Löwen.. Da er außerdem aus dem ägyptischen Theben stammte, dürfte er keine dunkle Hautfarbe besessen haben.
Interessant ist für manchen vielleicht auch „Die goldene Legende der Heiligen“ (1902) von Richard von Kralik, der – natürlich deutsche – Text „Mauritius und die thebaische Legion“ ist in wirklich schöner Edition in dem Projekt Gutenberg zugänglich. Ein Beispiel für die kuriose Dichtung mit seltsamen Reimen sei hier zur Unterhaltung eingefügt:
„Den Leib des heiligen Mauritius hat
Kaiser Otto in die Stadt
Magdeburg gebracht. Die Lanze
Des Helden ward im Siegesglanze
Den deutschen Heeren vorgeführt
Und wohl geehrt, wie sich’s gebührt.
Und Kaiser Friedrich mit dem roten Bart,
Als er zu Rom gekrönet ward,
Da legte er die Stiefel an
Und Sporen, die der heilige Mann
Bei seinem Tode hatte getragen.“
Wichtiger ist der folgende Text (ganzer Text: Duo Passiones Acaunensium martyrum), den der Bischof Eucherius von Lyon als Legende niedegeschrieben hat. In dieser Auswahl sind zentrale Stellen zusammengestellt worden, um im Rahmen auch dessen zu bleiben, was im Schulunterricht bewältigt werden kann.
lateinischer Text 1. 1 Sanctorum passionem martyrum, qui Acaunum glorioso sanguine inlustrant, pro honore gestorum stilo explicamus, ea utique fide, qua ad nos martyrii ordo pervenit. |
deutsche Übersetzung 1. 1 Die Leidensgeschichte der heiligen Märtyrer, die Acaunus mit ihrem glorreichen Blut verherrlichen, stellen wir, entsprechend der Erhabenheit des Ereignisses mit unserer Feder darstellen, und zwar mit eben jener Verlässlichkeit, mit welcher der Ablauf des Martyriums uns selber zur Kenntnis gelangte. |
Kommentar Acaunus: heute Saint-Maurice (https://de.wikipedia.org/wiki/Saint-Maurice_VS) (zwischen den Ufern des Genfersees und alpinen Gipfeln) illustrare: ans Licht bringen, beleuchten passio: Leidensgeschichte stilus: Griffel, Stift, Schreibkunst (=Stil) |
1. 4 Nunc iam ipsam beatissimae passionis causam loquamur. | Nun aber wollen wir gleich über den Gegenstand selbst der heiligsten Passion sprechen: | causa (vgl. franz. chose): Ursache, Grund; Sache |
2. 1 Sub Maximiano, qui Romanae rei publicae cum Diocletiano collega imperium tenuit, per diversas fere provincias laniati aut interfecti martyrum populi. | 2. 1 Unter Maximianus, der zusammen mit seinem Mitregenten Diokletian die Befehlsgewalt über den römischen Staat innehielt, wurden fast bis in die äußersten Provinzen Mengen von Märtyrern zerfleischt und getötet. | Maximianus (vom 1. März 286 bis zum 1. Mai 305 zusammen mit Diokletian Kaiser des Römischen Reichs)
collega: Amtskollege diversus: verschieden, voneinander entfernt laniare: zerfleischen populus: Menge, Volk, Gemeinde |
3. 1 Erat eodem tempore in exercitu legio militum, qui Thebaei appellabantur.
3 Hi in auxilium Maximiano ab orientis partibus acciti venerant, viri in rebus bellicis strenui et virtute nobiles, sed nobiliores fide. 4 Erga imperatorem fortitudine, erga Christum devotione certabant. 5 Evangelici praecepti etiam sub armis non immemores reddebant quae dei erant deo, et quae Caesaris Caesari restituebant. |
3. 1 Zu eben dieser Zeit gab es im Heer eine Legion von Soldaten, welche Thebäer genannt wurden.
3 Diese waren, aus den östlichen Reichsteilen herbeigerufen, zur Verstärkung für Maximianus gekommen, Männer im Kriegshandwerk tätig und weit bekannt durch ihren Mut, bekannter aber noch durch ihre Glaubenstreue. 4 Dem Kaiser gegenüber wetteiferten sie mit ihrer Tapferkeit, Christus gegenüber mit ihrer Hingabe. 5 Des Gebots des Evangeliums sehr eingedenk gaben sie auch unter den Waffen Gott was Gottes ist, und was des Kaisers ist, gaben sie dem Kaiser zurück |
zu 5. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ wird Jesus von Nazareth in Matthäus 22,21 zugeschrieben. Dort treten die Pharisäer als Gegner Jesu gegenüber. wobei sie versuchen Jesus eine Falle zu stellen, indem sie fragen, ob man dem Kaiser Steuern zahlen solle oder nicht. Wenn Jesus sich gegen die römische Besatzungsmacht stellt, so liefert er selbst den Grund, ihn zu verhaften, wenn nicht, so verliert er die Sympathien in der Bevölkerung. Jesus durchschaut ihren Plan, und lässt sich eine römische Münze geben, auf dem der Kopf des Kaisers eingeprägt ist, und gibt die oben angeführte Sentenz als Antwort. Dies bedeutet: Religion und Staat haben nichts miteinander zu tun. Als Mitglied der staatlichen Gemeinschaft hat man entsprechende Pflichten, als Glaubender hat man andere Pflichten gegenüber Gott. Für Luther ist die Sentenz Beleg für die Zwei-Reiche-Lehre. Für die römischen Soldaten bedeutet dies, dass sie den Befehlen der Vorgesetzten in militärischen Dingen gehorchen müssen, wegen ihres Seelenheils aber ihrem Glauben nicht abschwören dürfen. Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang die Briefe des Plinius, in denen er den Kaiser um Rat bei der Verfolgung von Christen fragt. |
4. 1 Itaque cum et hi sicut ceteri militum ad pertrahendam Christianorum multitudinem destinarentur, soli crudelitatis ministerium detrectare ausi sunt, atque huiusmodi praeceptis se obtemperaturos negant.
2 Maximianus non longe aberat, nam se circa Octodorum itinere fessus tenebat. 3 Ubi cum ei per nuntios delatum esset legionem hanc adversus mandata regia rebellem in Acaunensibus angustiis substitisse, in furorem instinctu indignationis exarsit. |
4. 1 Als deshalb auch diese wie die übrigen Soldaten dazu bestimmt wurden, die Menge der Christen gewaltsam herbeizuschaffen, haben sie daher als einzige gewagt, diesen grausamen Dienst zu verweigern, und sie lehnten es ab, derartigen Befehlen zu gehorchen.
2 Maximianus befand sich nicht weit entfernt; denn er hielt sich, ermüdet vom Marsch, in der Umgebung von Octodurus auf. 3 Sobald als ihm dort durch Kuriere gemeldet worden war, dass diese Legion, gegen die königlichen Befehle rebellierend, im Engpass von Acaunus Halt gemacht hatte, entbrannte er in einen heftigen Wutanfall der Empörung aus. |
Acaunus: vgl. 1.1 |
6. 1 Igitur, sicut supra diximus, cognito Maximianus Thebaeorum responso praecipiti ira fervidus ob neglecta imperia decimum quemque ex eadem legione gladio feriri iubet, quo facilius ceteri regiis praeceptis territi metu cederent;
2 redintegratisque mandatis edicit ut reliqui in persecutionem Christianorum cogantur. 3 Ubi vero ad Thebaeos denuntiatio iterata pervenit cognitumque ab eis est iniungi sibi rursum exsecutiones profanas, vociferatio passim ac tumultus in castris exoritur adfirmantium numquam se ulli in haec tam sacrilega ministeria cessuros, idolorum se profana semper detestatos; Christianis se inbutos sacris et divinae religionis cultu institutos, unum se aeternitatis deum colere, extrema experiri satius esse quam adversum Christianam fidem venire. |
6. 1 Nachdem deshalb also Maximianus, wie wir oben gesagt haben, die Antwort der Thebäer erfahren hat, befiehlt er, brodelnd vor rasender Wut wegen der Missachtung seiner Befehle, dass jeder Zehnte aus eben dieser Legion mit dem Schwert hingerichtet werde, damit die restlichen Soldaten, von Angst und Schrecken erfüllt, sich in Zukunft gegenüber den königlichen Verordnungen leichter gefügig zeigten.
2 Und seine Weisung erneuernd verordnet er, dass der Rest der Legion zur Verfolgung der Christen gezwungen werde. 3 Sobald aber die wiederholte Anordnung zu den Thebäern gelangt war und von diesen erkannt worden war, dass ihnen erneut die Vollstreckung gottloser Befehle auferlegt wird, da erhebt sich allenthalben im Lager Klagen und Aufruhr von Leuten, die bekräftigten, dass sie sich niemals irgendjemandem für solch gotteslästerliche Dienste fügen würden; man hätte die Schändlichkeit der Götzenanbetung schon immer verabscheut; man sei in die christlichen Heilsgeheimnisse eingeweiht und in der Ausübung der göttlichen Religion unterrichtet; man verehre den einen Gott der Ewigkeit; es sei besser, das Äußerste zu erleiden als gegen den christlichen Glauben vorzugehen. |
8. 1 Incitamentum tamen maximum fidei in illo tempore penes sanctum Mauricium fuit primicerium tunc, sicut traditur, legionis eius,
2 Fidelium commilitonum et iam martyrum exempla ingerens pro sacramento Christi, pro divinis legibus, si ita necessitas ferret, omnibus et moriendum suadebat, sequendosque admonebat socios illos et contubernales suos, qui iam in caelum praecesserant.
3 Flagrabat enim iam tunc in beatissimis viris martyrii gloriosus ardor. |
8. 1 Doch der größte Ansporn zur Glaubenstreue ging zu jenem Zeitpunkt vom heiligen Mauricius aus, der, wie überliefert wird, damals Kommandant der Legion war,
2 Indem er ihnen das leuchtende Vorbild ihrer glaubensstarken Mitkämpfer, die jetzt bereits Märtyrer waren, vor Augen führte, bemühte er sich sie zu überzeugen, dass sie alle, wenn es zum Äußersten käme, für den Treueeid auf Christus und für die göttlichen Gesetze sogar den Tod auf sich nehmen müssten, und er ermahnte sie, jenen Kameraden, ihren Zeltgenossen, die schon in den Himmel vorangegangen waren, zu folgen. 3 Es glühte nämlich schon damals das glorreiche Verlangen nach dem Martyrium. in den glückseligsten Männern |
10. 1 Cum haec talia Maximianus audisset obstinatosque in fide Christi cerneret animos virorum, desperans gloriosam eorum constantiam posse revocari una sententia interfici omnes decrevit, et rem confici circumfusis militum agminibus iubet.
2 Qui cum missi ad beatissimam legionem venissent, stringunt in sanctos impium ferrum, mori non recusantes vitae amore.
3 Caedebantur itaque passim gladiis, non reclamantes saltim aut repugnantes, sed depositis armis cervices persecutoribus praebentes et iugulum percussoribus vel intectum corpus offerentes.
4 Non vel ipsa suorum multitudine, non armorum munitione elati sunt, ut ferro conarentur asserere iustitiae causam, sed hoc solum reminiscentes se illum confiteri, qui nec reclamando ad occisionem ductus est et tamquam agnus non aperuit os suum, ipsi quoque tamquam grex dominicus ovium laniari se tamquam ab inruentibus lupis passi sunt. |
10. 1 Nachdem Maximianus die Botschaft etwa dieses Wortlauts vernommen hatte und einsah, dass das Herz der Männer unverrückbar am Glauben an Christus festhielt, da gab er die Hoffnung auf, dass sich ihre ruhmverheißende Standhaftigkeit noch erweichen ließe, und ordnete deshalb an, sie allesamt mit einem einzigen Entscheid töten zu lassen. So befiehlt er seinen Truppen, sie zu umzingeln und die Sache zu beenden.
2 Als die Soldaten mit ihrem Auftrag zur glückseligsten Legion gekommen waren, richten sie ihre ruchlose Waffe gegen die Heiligen, die sich aus Liebe zum Leben nicht gegen den Tod sträuben. 3 Also wurden sie wahllos mit dem Schwert niedergemetzelt, ohne dass sie im Geringsten Widerspruch oder Widerstand erhoben, vielmehr ihre Waffen niederlegten, den Verfolgern den Nacken hinhielten und den Schlächtern ihre Kehle und den ungeschützten Körper darboten. 4 Weder durch die große Zahl der Ihrigen noch durch ihre Waffenrüstung ließen sie sich zum Versuch 10 hinreißen, die Sache der Gerechtigkeit mit dem Schwert zu verteidigen. Vielmehr besannen sie sich einzig darauf, dass sie sich zu jenem bekannten, der ohne Widerspruch zur Schlachtbank geführt wurde und als Opferlamm seinen Mund nicht öffnete. Und so erduldeten sie es, dass auch sie wie die Schafherde des Herrn von einbrechenden Wölfen zerfleischt wurden. |
11. 1 Operta est terra illic procumbentibus in mortem corporibus piorum, fluxerunt pretiosi sanguinis rivi.
3 Ne iusti punirentur multitudo non obtinuit, cum inultum esse soleat quod multitudo delinquit. 4 Hac igitur crudelitate immanissimi tyranni confectus est ille sanctorum populus, qui contempsit rem praesentium ob spem futurorum. 5 Sic interfecta est illa plane angelica legio, quae ut credimus cum illis angelorum legionibus iam conlaudat semper in caelis dominum deum Sabaoth. |
11. 1 Überdeckt wurde die Erde von den Leibern der gottesfürchtigen Männer, die dort in den Tod sanken; es flossen Ströme des kostbaren Blutes.
3 Dass sie als Gerechte nicht bestraft wurden, dazu half ihnen auch ihre grosse Anzahl nicht, während doch sonst die Menge, selbst wenn sie das Recht bricht, unbestraft bleibt. 4 Durch diese Grausamkeit des bestialischen Tyrannen wurde also jenes Volk der Heiligen umgebracht, jenes Volk, das in der Erwartung des Zukünftigen den Besitz des Gegenwärtigen geringachtete. 5 So wurde jene wahrhaft engelhafte Legion getötet, welche, wie wir glauben, schon jetzt mit jenen Engelslegionen immerfort den Herrgott Sabaoth im Himmel lobpreist |
Hinweis: weitere Textstellen sind in Bearbeitung und folgen bald!
Quellen:
https://passiones.textandbytes.com/transkriptionen/nr/167?msclkid=61fb1d68add311ec8c8dfbeb33b5601d
Morizkirche (Coburg) – Wikipedia
Literatur:
Hans-Ludwig Oertel Klaus Wunderer: Salve! ein Spaziergang auf der Suche nach lateinischen Inschriften an Coburger Gebäuden und Gedenksteinen; Coburg 2014; S. 26 ff.
Hubertus Habel/Stefan Nöth: Veste & „Mohr“: Städtische Symbole und Geschichtskultur in Coburg, Coburg 2006, Heft 5 der Schriftenreihe „Coburger Stadtgeschichte“ der Initiative Stadtmuseum; besonders S. 35 ff. für Mauritius
Zuschriften bitte an: Coquus22@gmail.com (Administrator)
Bitte besuchen Sie auch die gleichlautende Seite bei Facebook: Coburgum Latinum
zurück zur Prima Pagina