Coburgum Latinum
Schloss in Ketschendorf
Das Schloss in Ketschendorf hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Das Foto zeigt den aktuellen Zustand nach der Renovierung mit dem Wappen oben im Giebel, während sich die zweite Inschrift aus Sandstein an der entgegengesetzten Seite am nordwestlichen Eckturm des Schlosses findet.
Das alte Ketschendorfer Schloss wurde 1803 im Auftrag der Herzogin Auguste, Gemahlin von Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld, als Sommerschlösschen im Empire-Stil errichtet. Nach dem Tod des Herzogs 1806 blieb es Augustes Witwensitz. 1868 verkaufte ihr Enkel Ernst II. das Anwesen samt Parkanlage an die damals berühmte französische Opernsängerin Rosine Stoltz, die er in den Adelsstand erhoben hatte. Als „Baronin von Ketschendorf“ ließ sie das teilweise marode Schloss abreißen und nach Plänen des Coburger Baumeisters Georg Konrad Rothbart neu aufbauen. Rothbart erschuf in nur einem Jahr Bauzeit ein größeres und festeres Schloss mit nahezu quadratischem Grundriss. Im Juni 1869 war das neue Schloss Ketschendorf fertig und das alte konnte abgetragen werden. Der Bau ist ein Beispiel für den neugotischen Burgenstil des Historismus. Alle vier Seiten sind von achteckigen, mit Zinnen gekrönten Ecktürmen flankiert. Ab 1956 war in dem Gebäude für lange Zeit eine Jugendherberge untergebracht. In den Jahren 2012 und 2013 diente es als Filmset für die Kinoproduktion der Romanreihe „Rubinrot“. Seit 2013 ist das Schloss Ketschendorf im Besitz eines Coburger Unternehmens.
Quellen:
Motto: VIS IN CORDE
Opernsängerin Rosine Stoltz, die Victorine Noel hieß und am 13. Februar 1815 in Paris in bescheidenen Verhältnissen geboren worden war, erwarb als frisch geadelte Freifrau von Stolzenau – wie oben gezeigt – das herzogliche Empire-Schlösschen mit den dazugehörigen Parkgrundstücken für 100 000 Francs. Über den Neubau wurden oben schon die wichtigen Punkte genannt.
An die Bauherrin und damalige Besitzerin erinnert das Sandsteinwappen am nordwestlichen Eckturm. Der Schild zeigt eine Harfe, der Helm trägt eine Freiherrnkrone und zwei geschlossene Flügel. Der Sinnspruch darunter lautet „VIS. IN. CORDE.“ und bedeutet: „Kraft im Herzen“. Diese Übersetzung findet man im Internet z. B. bei Wikipedia. Man mag sich wundern, dass eine Frau, eine Opernsängerin, solch ein martialisches Motto gewählt hat, auch wenn sie in ihrem wechselvollen Leben sicher viele Widerstände überwinden musste. Eine andere Bedeutung von „cor“ (wie sie Georges, Ausführliches Handwörterbuch, Band I, Stuttgart 1969, Spalte 1688 1a anführt) ist: Sitz der Gemütsbewegungen. Dieses Verständnis begegnet auch in der Enzyklika „SALVIFICI DOLORIS“ von Papst Johannes Paul II vom 11. Februar 1984:
Colenda est ergo eiusmodi sentiendi vis in corde utpote quae erga dolentem indicet miserationis affectum.
Dies deutet auf eine gemeinsame Quelle für beide hin, eventuell auf einen religiösen Ursprung.
Motto: FORTES FORTUNA ADIUVAT
1871, also zwei Jahre danach, verkaufte die Baronin von Ketschendorf den gesamten Besitz schon wieder für nur noch 90.000 Francs. Nach einigen Besitzerwechseln erwarb 1891 der jüdische Freiherr Siegwart von Mayer Schloss und Park als Familiensitz. Durch ein Ministerialdekret aus dem Jahre 1891 durfte er sich „Freiherr von Mayer-Ketschendorf“ nennen. Siegwart von Mayer-Ketschendorf verstarb im Jahre 1929 in Wien. Sein Sohn Egon wurde Erbe des Ketschendorfer Besitzes, der 1940 unter dem Nationalsozialismus zu einer Zwangsversteigerung wegen 145.000 Mark „Reichsfluchtsteuer“ von der Stadt Coburg für 45.000 Reichsmark ersteigert wurde.
1954 erhielt Egon von Mayer-Ketschendorf im Rahmen eines Wiedergutmachungsverfahrens seinen Besitz wieder zurück. 1955 verkaufte er es endgültig an die Stadt Coburg. Die Wohltätigkeit der Familie war auch in Ketschendorf bekannt und wurde von den von Mayers auch dort gegenüber der ärmeren Bevölkerung praktiziert. Aus diesem Grund erfolgte 1945 dort die Benennung der von-Mayer-Straße. Am 1. Januar 1990 ging die Trägerschaft für das bauliche Ensemble Schloss und Neu-/Anbau von 1979 an den DJH-Landesverband über.
Im Giebel ist das Wappen des späteren Besitzers Freiherr von Mayer zu sehen, das einen sehr bekannten lateinischen Sinnspruch: „Fortes fortuna adiuvat“ zeigt:
Das Wappen zeigt links einen steigenden Löwen, rechts drei Kornähren, darüber einen Spangenhelm mit einer Krone und darüber einen steigenden Löwenrumpf. Das Motto darunter lautet: „Fortes fortuna adiuvat“.
Es wird von Terenz im Phormio (I, 4, 203) verwendet und von Cicero in den Tusculanae disputationes (II, 4, 11) als altes Sprichwort bezeichnet. Die altlateinische Form lautet „fortis“ für den Akkusativ Plural, antsprechend auch bei Vergil „Audentis fortuna iuvat“, und schließlich verwendet es mit einer Abwandlung Tibull in seinen Elegien (I, 2, 16): „Fortes adiuvat ipsa Venus“ – „Venus selbst hilft den Wagenden“.
Zusammengefasst ist „Fortes fortuna adiuvat“ mit „das Glück unterstützt die Tapferen“ zu übersetzen, im Deutschen haben „Frisch gewagt ist halb gewonnen“ und „Wer wagt, gewinnt“ eine ähnliche Bedeutung.
Wer nun aber Wikipedia – und dem wohl folgend andere Seiten im Internet, oder übernahm Wikipedia den Fehler? – zu Rate zieht, der liest dort :
Im Giebel ist das Wappen des späteren Besitzers Freiherr von Mayer zu sehen, das Wappen zeigt: Gespalten links einen steigenden Löwen – rechts drei Kornähren, darüber einen Spangenhelm mit einer Krone und darüber einen steigenden Löwenrumpf. Das Motto darunter lautet: „Fortes Fortuna Adjuval“.
Nebenbei bemerkt: Wer genau hinschaut, der erkennt statt „Fortes Fortuna Adjuval“ „Fortes fortuna adiuvat“. Spricht man da von Genauigkeit?
Nun ist der Sinnspruch äußerst bekannt und jeder Lateinkenner weiß, dass die Endung „-al“ lediglich bei Neutra wie animal oder vectigal vorkommen kann. Aber wie kommt es zu solch einem Irrtum?
Sehen wir uns das „adiuvat“ genauer an:
Leider war es dem Verfasser nicht möglich, die Inschrift aus der Nähe zu betrachten, aber auch dieses Foto zeigt das „t“ am Wortende mit einem gut zu erkennenden T-Strich.
Den Ursprung der Punkte kann man von der Straße aus nicht bestimmen, vielleicht Verwitterungen, womöglich gar Schüsse mit einem Gewehr.
Nun sind Fehler keine schlimme Sache (vgl. etwa die Inschrift am Haus hinterm Marstall oder das Haus in Lichtenfels), aber der Lateinliebhaber wird nicht ein gewisses Lächeln unterdrücken können, wie leicht sich so etwas fortpflanzt, ohne dass einer der Verfasser der Internet-Seiten selbst die Angaben überprüft und verifiziert, was er dann dem world wide web anvertraut. Und auch keiner der Leser scheint es bemerkt zu haben und die Verfasser informiert zu haben. (Damit unsere Leser dies überprüfen können, wollen wir auch nicht sofort die Leute in Wikipedia darauf hinweisen, aber nach einer gewissen Zeit sollte all dies korrigiert werden.)
Nachweis für die Abb.: Dieter Koch
Quellen:
Schloss Ketschendorf – Wikipedia
Ulrich Göpfert – Schloss Ketschendorf (ulrich-goepfert.de)
Zuschriften bitte an: Coquus22@gmail.com (Administrator)
Bitte besuchen Sia auch die gleichlautende Seite bei Facebook: Coburgum Latinum
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