Texte aus dem Umfeld des Gymnasiums Casimirianum

 

Briefwechsel zwischen Gottfried Wilhelm Leibnitz

und dem Leiter des Casimirianums Ernst Salomon Cyprian

 

Das Gymnasium Casimirianum nimmt eine zentrale Stellung für die Pflege des Lateinischen ein. Auf Grund der langen Schulgeschichte ist dies natürlich zu erwarten.

Zusätzlich belegen weitere Texte wie ein Briefwechsel zwischen dem bedeutenden Philosophen Leibnitz und E. S. Cyprian, dem damaligen (1700 bis 1713) Direktor des Casimirianums, was die Bedeutung der Schule und seines Lehrpersonals für die Wissenschaft deutlich zeigt.

Goethe hatte über das Coburger Gymnasium, auf dem sein Vater, Johann Caspar Goethe ,,seine Jugend zugebracht“ hatte, geurteilt, es habe zu jener Zeit ,,unter den deutschen Lehranstalten eine der ersten Stellen“ eingenommen. Dies korreliert mit dem Beginn des Direktorats E. S. Cyprians.
Auch in der von dem späteren Coburger Generalsuperintendenten Erdmann Rudolf Fischer, dessen ehemaligem Schüler, herausgegebenen Biographie, heißt es, er habe das Casimirianum ,,in solchen Flor gebracht, in welchem es weder zuvor, noch hernach gewesen ist“. Er hatte nach kurzer Lehrtätigkeit als Extraordinarius für Philosophie an der Universität Helmstedt die Leitung des Gymnasiums Casimirianum Academicum von 1700 bis 1713 inne. Danach berief ihn Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha in seine Residenzstadt als Mitglied des dortigen Oberconsistoriums, dessen Vizepräsident er schließlich 1735 wurde. Schon zu Beginn seiner Gothaer Tätigkeit hatte ihm der Herzog auch die Leitung seiner Bibliothek übertrageb. In seinem Testament vermachte Cyprian dieser herzoglichen Bibliothek die von ihm aufbewahrten Dokumente seiner umfangreichen Korrespondenzen mit gelehrten Zeitgenossen. Cyprian ist als einer der letzten und entschiedensten Vorkämpfer der lutherischen Orthodoxie während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sein erfolgreiches Wirken am Gymnasium Casimirianum ist auch des Betrachtens wert. Die oben erwähnte Biographie führt an, dass ihm bei einer seiner frühen wissenschaftlichen Arbeiten ,,Leibnizius beyräthig gewesen“ sei. Das sollen Beispiele aus dem Briefwechsel zeigen, den Cyprian mit G. W. Leibniz führte. Ein genaueres Studium dieser Briefe lässt den Einfluss, den Leibniz auf Cyprians Entwicklung hatte, deutlich erkennen.

Ein kleines Beispiel, ein Brief vom 4. Mai 1700, in dem Leibniz auf einen Bittbrief antwortet:

 

A Monsieur Cyprianus, professeur celebre, Helmstädt. An den berühmten Professor Cyprian in Helmstadt Präskript:

– Französische Anschrift

– Gruß: die sehr förmliche Anrede entspricht dem Zeitgeist und zeigt Hochachtung

Vir celeberrime, Fautor Honoratissime. Sehr geehrter Herr, ehrenwertester Gönner!
Binis Tuis responsum debeo. Ich schulde eine(n) Antwort(brief) für zwei (Briefe) von Dir. Proömium:

Einleitung knüpft an vorangegangene Korrespondenz an und

zeigt, dass unter den Gebildeten man voneinander weiß. Gesundheit ist ein typisches Thema (Wie geht‘s dir? Ut vales? Comment ça va?) in Einleitungen.

Interea et adversae valetudinis Tuae nuntium accepi, hanc jam
superatam spero et voveo.
Inzwischen habe ich auch Kunde über Dein schlechtes Befinden erhalten, ich hoffe und wünsche, dass dies schon überwunden ist.
Illis ut satisfacam utcumque nunc quidem, credo jam non posse nobis deesse magnetem, quo Helmestadii retineare: Damit ich nun jenen wie auch immer Genüge leiste, ich glaube, dass schon jetzt uns nicht der Anziehungspunkt fehlen kann, durch welchen du in Helmstadt zurückgehalten wirst. retineare = retinearis
et video in aulis omnibus Tibi faveri,

neque de eruditione Tua caeterisque ad docendum dotibus dubitari posse a quoquam.

Und ich sehe, dass man in allen Höfen Dir gewogen ist,

und dass von niemandem gezweifelt werden kann im Bezug auf deine Bildung und die übrigen Gaben zum Lehren.

Eruditio = Bildung (wie bei Plinius); Unterricht (Cyprian als Lehrer)

dos = Talent, Gabe

Nobilissimo domino Struvio respondebo quam primum; Dem sehr edlen Herrn Struvius werde ich möglichst bald antworten: Burkhard Gotthelf Struve, Universitätsbibliothekar in Jena
et quaesitam per Te notitiam viri egregii mihi
conservabo.
und ich werde mir die durch dich gesuchte Bekanntschaft mit dem hervorragenden Mann bewahren. Cyprian hatte sich für Struve bei Leibniz eingesetzt, indem er einen Brief von Str. übermittelte.
Interea cura, quantum potes, ut valeas. Inzwischen sorge, wie sehr du kannst, dass du wohlauf bist! Briefschluss
Cui rei necessaria est in studiis moderatio. Dafür ist bei wissenschaftlichen Betätigungen Mäßigung notwendig.
Dabam Guelfebyti. 4. Maji 1700 Wolfenbüttel, 4. Mai 1700
Deditissimus

G. G. Leibnitius.

Der sehr ergebene

G. G. Leibnitz

Text des Briefes zitiert nach: Herbert Oppel: Dr. Ernst Salomon Cyprian […] und sein Briefwechsel mit Gottfried Wilhelm Leibnitz; in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1978; S. 72

Brief unter Freunden kennen wir aus der römischen Antike: Cicero mit Freunden wie Atticus oder M. Brutus, Plinius mit zahlreichen Geistesgrößen seiner Zeit sowie Seneca mit seinem jugendlichen Freund Lucilius. Aber alle diese Briefe wurden herausgegeben, sind also mehr oder weniger redigiert worden, auch wenn vor allem bei Cicero anzunehmen ist, dass echte Briefe zugrunde liegen.

Das zeigt, dass die Korrespondenz zwischen Leibniz und Cyprian anders zu bewerten sind, denn es handelt sich um „echte“ Briefe, die  nicht unbedingt zur Veröffentlichung in Buchform bestimmt gewesen waren. Immerhin hatte Cyprian trotzdem der herzoglichen Bibliothek die von ihm aufbewahrten Dokumente seiner umfangreichen Korrespondenzen mit gelehrten Zeitgenossen, die insgesamt 26 Foliobände füllen, – wir würden heute sagen „für Forschungszwecke“ – überlassen. darunter auch 4 Briefe von Leibniz.

 

Dennoch zeigen die Briefe nicht nur klassisches Latein, sondern es ist auch der Aufbau eines Briefes in der Antike zu vergleichen:

I. Briefanfang

  • Präskript
Angabe des Absenders (superscriptio)

Angabe des Adressaten (adscriptio)

Gruß (salutatio)

  • Proömium
stereotype Übergangswendungen, etwa ein Wohlergehenswunsch, der Dank an die Götter, Versicherung des Gedenkens.
II. II. Briefkorpus Behandlung eines Themas, wie die Herkunft des deutschen Wortes „Brief“ von „brevis“ zeigt.

  • Darstellung des Sachverhaltes
  • Diskussion des Sachverhaltes
  • Schlussfolgerung (oft verbunden mit einer Lehre für den Adressaten)
III. Briefschluss

  • Epilog
Übergang vom Hauptteil des Briefes in den Schluss:.

  • durch Schlussmahnungen,
  • die Äußerung des Besuchswunsches.
  • Postskript
Postskript ist der eigentliche Briefabschluss.

Neben dem Wohlergehenswunsch vor allem durch Schlussgrüße in drei Formen:

  • Datum und Ort
wird eingeleitet mit „dabam“ oder „datum“, worauf das lateinische Datum im Ablativ folgt.

Jahresangaben fehlen für gewöhnlich in der Antike

der Ortsname im Lokativ, hier also im Genitiv, sonst auch im Ablativ.

 

Vgl.:

https://www.bibelstudium.kaththeol.uni-muenchen.de/briefliteratur/gattung/gattung_brief/index.html

https://www.alte-sprachen.de/Plinius/antike_briefe.htm

https://media.dav-medien.de/sample/9783515121019_p.pdf

Es zeigt sich auch hier deutlich, dass – abgesehen v. a. von der französischen Adresse und der Unterschrift – Leibiz die Form, die er etwa von Cicero oder Plinius kennt, verwendet.

 

 


Literatur:

Herbert Oppel: Dr. Ernst Salomon Cyprian […] und sein Briefwechsel mit Gottfried Wilhelm Leibnitz; in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1978; S. 35 ff.

Herbert Oppel: zum Briefwechsel zwischen Gottfried Wilhelm Leibnitz und Ernst Salomon Cyprian (Ein Nachtrag); in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1980; S. 143 ff.

Die Seiten zum Thema:

Grabplatte Casimirs in der Morizkirche

Epitaph in der Morizkirche

Inschrift an der Nordseite des Casimirianums

Schulordnung

Briefwechsel zwischen Gottfried Wilhelm Leibnitz und dem Leiter des Casimirianums Ernst Salomon Cyprian


 

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